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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: 8 U 102/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 842 | |
BGB § 847 |
2. 25.000 € Schmerzensgeld bei Rezidiv-OP, dauerhaften Lymphödemen, Müdigkeit, Erschöpfbarkeit, Krebsangst, beruflicher Zurückstufung einer 1951 geborenen Krankenschwester.
Gründe:
I.
Die 1951 geborene Klägerin begehrt Schmerzensgeld und Verdienstausfall wegen einer falschen gynäkologischen Behandlung des Beklagten, bei dem sie von Mai 1982 bis August 2000 Patientin war.
Im März 1999 suchte die Klägerin den Beklagten zweimal wegen unregelmäßiger starker Blutungen auf. Er verordnete am 22.3.1999 ein Hormonersatzpräparat. Im August 1999 erfolgte eine Krebsvorsorgeuntersuchung, die keinen behandlungsbedürftigen Befund ergab. Im Dezember 1999 suchte die Klägerin den Beklagten erneut wegen Blutungen auf. Am 19.1.2000 führte der Beklagte eine Ultraschalluntersuchung durch und stellte ein stark profiliertes Endometrium (Schleimhautwucherung) fest, woraufhin er der Klägerin Gestagen verordnete. Im August 2000 ergab ein vom Beklagten durchgeführter Zellabstrich PAP II. Ende 2000 suchte die Klägerin die Gynäkologin Dr. A auf, die außer einer Ultraschalluntersuchung umgehend eine Curettage vornahm. Letztere ergab ein Endometriumkarzinom. Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 12.12. bis 24.12.2000 in stationärer Behandlung. In einer Operation nach Wertheim-Meigs wurden der Klägerin die Gebärmutter nebst Anhängen sowie mehrere Lymphknoten entfernt, da ein Lymphknoten bereits befallen war. Das Karzinom befand sich im Stadium pT1pN1 (1/86) MO.
Die Klägerin, die von Beruf Anästhesieschwester ist, ermüdet schnell und leidet unter Lymphödemen und Konzentrationsproblemen. Im März 2002 wurde sie zurückgestuft und bezog aufgrund einer Behinderung von 60% eine Teilrente. Mittlerweile erhält sie Erwerbsunfähigkeitsrente.
Die Klägerin hat die Gutachter- und Schlichtungsstelle angerufen, die zu dem Ergebnis kam, dass am 8.12.1999 eine Ultraschalluntersuchung geboten gewesen wäre, nachdem sich die Klägerin erneut wegen Blutungen beim Beklagten vorgestellt habe. Nach der - verspäteten - Ultraschalluntersuchung im Januar 2000, die der Beklagte selbst als pathologisch eingestuft habe, wäre zur Abklärung eines Malignoms eine Abrasio erforderlich gewesen; die Behandlung mit Gestagen sei fehlerhaft gewesen. Zwar wäre der Kl. eine OP nicht erspart worden, die Leidenszeit wäre aber kürzer gewesen.
Die Klägerin hat behauptet, schon im Jahr 1999 habe ein Endometriumkarzinom, jedenfalls aber eine Präkanzerose bestanden. Bei zutreffender Diagnostik und Therapie wäre die Hyperplasie als Präkanzerose und der Übergang ins Stadium des Karzinoms verhindert worden. Höchstens eine präventive Hysterektome hätte zur Diskussion gestanden.
Der Beklagte hat einen Behandlungsfehler in Abrede gestellt und geltend gemacht, dass auch bei einer früheren Indikationsstellung die Gebärmutter nebst Adnexen und Lymphknoten hätte entfernt werden müssen. Hinsichtlich der materiellen Schäden hat er die Kausalität bestritten.
Nach Einholung eines Gutachtens nebst Erläuterung des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil ein Schmerzensgeld von 6.500,-- € sowie materiellen Schadensersatz in Höhe von 1.102,96 € zuerkannt. Des Weiteren hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den zukünftigen materiellen Schaden aus der Fehlbehandlung im Jahr 2000 zu zahlen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass der Bekl. jedenfalls Anfang 2000 weitere diagnostische Maßnahmen ergreifen musste. Die tatsächlich durchgeführte Sonographie sei nicht ausreichend gewesen, sondern eine fraktionierte Abrasio habe vorgenommen werden müssen, um die Gewebeprobe auf Krebszellen zu untersuchen. Es hätte sich ein reaktionsbedürftiger Befund ergeben.
Es sei auch nicht auszuschließen, dass sich die fehlerhafte Befunderhebung negativ auf den Krankheitsverlauf ausgewirkt habe. Bei Feststellung einer Präkanzerose hätte man auf die Lymphknotenentfernung verzichten können. Nach den Grundsätzen der Beweislastumkehr habe die Klägerin also beweisen können, dass der Beklagte ihre Blutungen zu zögerlich behandelt habe, wodurch der Krebs erst im StadiumpT1pN1 /1/86) MO habe entfernt werden können.
Dahinstehen könne, ob dem Beklagten bereits für die Behandlung im Jahre 1999 ein Fehler anzulasten sei, weil sich dieses Ergebnis nicht zusätzlich habe auswirken können.
Bezüglich des über den zuerkannten Teil (Eigenanteil, Kompressionsstrümpfe etc.) hinausgehenden materiellen Schadens (insbesondere Verdienstausfall) war das Landgericht nicht davon überzeugt, dass er auf das Versäumnis des Beklagten zurückzuführen sei, da sich die Klägerin auch bei korrekter Befunderhebung einer Operation mit Organverlust hätte unterziehen müssen.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das LG u.a. darauf abgehoben, dass sich die Klägerin weder einer Chemo- noch einer Strahlentherapie habe unterziehen müssen; auch liege der Eingriff nunmehr sechs Jahre zurück, ohne dass ein Rezidiv aufgetreten sei.
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf ein höheres Schmerzensgeld sowie auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.031,43 € weiter. Sie meint, das Landgericht habe aus der zutreffend erkannten Beweislastverteilung unzutreffende Schlüsse gezogen. Nicht sie müsse beweisen, dass bei früherer Befunderhebung die Krebserkrankung nicht eingetreten bzw. weniger gravierend gewesen wäre, sondern dies müsse der Beklagte beweisen.
Das Landgericht habe auch nicht dahinstehen lassen dürfen, ob dem Beklagten bereits für das Jahr 1999 ein Fehlverhalten anzulasten sei. Dies sei nämlich schon im März 1999 der Fall gewesen. Denn mit jedem Monat der Verzögerung hätten sich die Heilungschancen der Klägerin verschlechtert. Wenn lediglich eine Präkanzerose vorgelegen hätte, hätte nicht die tatsächlich durchgeführte Operation einschließlich Lymphknotenentfernung erfolgen müssen.
Das Landgericht habe in seine Schmerzensgeldbemessung auch lediglich den Organverlust, die Knotenentfernung und das Lymphödem einbezogen, nicht indessen die Krebserkrankung als solche. Es sei 2005 zu einem Rezidiv gekommen (Lymphknotenentfernung wegen Metastasen intraabdominell und intrathorakal). Es müsse auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass sie nunmehr zu 80% schwerbehindert sei und Erwerbsunfähigkeitsrente beziehe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen,
1. an sie ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2004 zu zahlen;
2. an die Klägerin weitere 2.031,43 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 17.8.2004 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der zulässig eingelegten Anschlussberufung beantragt er,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend, dass die Klägerin mit ihrem Vortrag, es sei zu einem Rezidiv gekommen, weswegen sie sich vom 14.8. bis 1.9.2005 in stationärer Behandlung befunden und erneut habe operiert werden müssen, wegen Verspätung nicht gehört werden könne.
Im Übrigen vertritt er die Auffassung, dass ihm die Unterlassung weiterer diagnostischer Maßnahmen Anfang 2000 nicht angelastet werden könne, weil die Klägerin nicht mehr erschienen sei. Der Sachverständige habe in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, dass der Beklagte seine im Januar 2000 getroffenen Feststellungen bei der nächsten Kontrolluntersuchung habe überprüfen müssen. Die Klägerin habe sich aber entgegen der Vorgabe nicht nach der 12-tägigen Gestagenbehandlung wieder vorgestellt, sondern erst im August 2000. Der Vorwurf der Klägerin, ihm sei bereits 1999 eine Fehlbehandlung anzulasten, sei durch die mündliche Erläuterung des Sachverständigen widerlegt, zumal die Klägerin im August nicht von Blutungen berichtet habe. Im Übrigen habe sich die unterlassene Befunderhebung nicht ausgewirkt, da der gleiche Eingriff erforderlich geworden wäre.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Sie tritt der Anschlussberufung unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen entgegen.
Insbesondere weist sie daraufhin, dass sie dem Beklagten auch im August 1999 von Blutungen berichtet habe.
Gemäß Beweisbeschlüssen vom 26.2.2008 und 15.5.2008 (Bl. 238, 263 d.A.) sind ergänzende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 vom 2.4. und 4.6.2008 eingeholt werden, wegen deren Ergebnis auf Bl. 246 ff, 263 d,A, verwiesen wird.
II.
Die Berufung der Klägerin ist teilweise erfolgreich, während die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen ist.
Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld von insgesamt 25.000,-- € sowie ein Schadensersatzanspruch von 2.038,96 € zu; ferner hat der Beklagte - antragsgemäß - für alle Schäden aufzukommen, die der Klägerin aus der Fehlbehandlung im Jahr 2000 entstehen, soweit kein Übergang auf Sozialversicherungsträger oder Dritte erfolgt.
Zutreffend ist das Landgericht nach durchgeführter Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass dem Beklagten ein Befunderhebungsfehler zur Last zu legen ist, indem er es unterlassen hat, spätestens Anfang 2000 nach durchgeführter Sonographie weitere diagnostische Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere eine Ausschabung und Gewebeuntersuchung zum Ausschluss einer malignen Ursache durchzuführen. Der Sachverständige Prof. Dr. SV1 hat ausgeführt, dass nach der bei der Sonographie am 19.1.2000 festgestellten Schleimhautwucherung drei Wochen später eine Kontrollsonographie sowie eine fraktionierte Abrasio mit Hysteroskopie hätte erfolgen müssen. Wäre dies geschehen, so wäre das Karzinom oder dessen Vorstufe mit hoher Wahrscheinlichkeit entdeckt worden.
Soweit das Landgericht es hat dahin stehen lassen, ob dem Beklagten bereits für das Jahr 1999 ein Behandlungsfehler anzulasten ist, ist der Senat dieser Frage durch Einholung ergänzender Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 nachgegangen, weil ein zeitlich früher anzusetzender Fehler durchaus kausale Auswirkungen für die materiellen und immateriellen Schäden der Klägerin haben könnte. Allerdings hat die zusätzliche Begutachtung nicht ergeben, dass der Beklagte schon zu einem Zeitpunkt vor Anfang 2000 einen Befunderhebungsfehler begangen hat, der mit Wahrscheinlichkeit zu einem reaktionspflichtigen Ergebnis geführt hätte.
Soweit die Klägerin dem Beklagten vorwirft, sie mit Hormonen behandelt zu haben, ohne die Ursache ihrer Blutungen abzuklären, hat der Sachverständige ausgeführt, dass es nicht fehlerhaft war, die Klägerin im März 1999 wegen einer perimenopausalen Blutungsstörung medikamentös mit Presomen zu behandeln. Soweit sich die Klägerin im Dezember 1999 wegen erneuter Blutungen vorstellte und der Beklagte Primosiston verordnete, versteht der Senat den Sachverständigen so, dass vor weiterer Hormongabe eine Abklärung geboten gewesen wäre, da ungeklärte uterine Blutungen bei Langzeitverabreichung von Östrogen-Präparaten Veranlassung zum Ausschluss organischer Ursachen gäben. Dass die vor Verabreichung weiterer Hormongaben notwendige Sonografie nicht noch im Dezember 1999 erfolgte, sondern erst am 19. Januar 2000, ist noch nicht als Fehler einzustufen, wohl aber die Nicht-Reaktion auf das Ergebnis dieser Ultraschalluntersuchung.
Ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten des Beklagten bereits im August 1999 lässt sich auch nicht unter der Prämisse feststellen, dass sich die Klägerin nicht nur - wie der Beklagte behauptet - zwecks Durchführung einer Krebsvorsorgeuntersuchung beim Beklagten vorstellte, sondern erneut über Blutungen klagte. Der Senat ist aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin zu dieser Auffassung gelangt und hat den Sachverständigen um Beantwortung der Frage ersucht, ob sich bei einer - infolge von Blutungen - veranlassten Ultraschalluntersuchung bereits im August 1999 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass unter dieser Prämisse unzweifelhaft eine Ultraschalluntersuchung indiziert gewesen und nicht auszuschließen sei, dass zu diesem Zeitpunkt ein pathologischer Befund, wie er zum Jahreswechsel erhoben wurde, auch damals bereits hätte diagnostiziert werden können. Dies sei allerdings eine nicht nachweisbare Vermutung, so dass es bei der spekulativen Annahme bleibe, dass ein halbes Jahr vor dem pathologischen Ultraschallbefund bereits ein eindeutig pathologischer Befund hätte erhoben werden können. Diese Ausführungen des Sachverständigen sind nach Auffassung des Senates nicht ausreichend für die Feststellung, dass eine Sonografie im August 1999 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, auf das nicht in Form einer Abrasio mit Gewebebestimmung zu reagieren als grob fehlerhaft zu werten wäre.
Es verbleibt also dabei, dass nach der Ultraschalluntersuchung vom 19.1.2000 eine Kontrolluntersuchung innerhalb von drei Wochen hätte erfolgen müssen. Der Beklagte kann insoweit nicht mit Erfolg einwenden, eine weitere Abklärung der Beschwerden der Klägerin sei deswegen nicht erfolgt, weil sie sich nach dem 19.1.2000 bis August 2000 nicht wieder in seiner Praxis eingefunden habe. Ein Vorwurf mangelnder Compliance träfe die Klägerin nur, wenn der Beklagte den Nachweis führen könnte, dass sie trotz nachhaltiger und eindeutiger Behandlungs- und Therapieaufklärung nicht wieder gekommen sei. Dass der Beklagte eine weitere Abklärung bei einer erneuten Vorstellung im Auge gehabt haben mag, kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, ändert aber nichts an dem Umstand, dass die unterbliebene weitere Befunderhebung allein zu seinen Lasten geht. Dass er der Klägerin am 19.1.2000 nachdrücklich vor Augen geführt hätte, dass sie unbedingt innerhalb eines Zeitraums von wenigen Wochen wiederkommen müsse, um eine Kontrollsonografie vorzunehmen, weil das vorliegende Ergebnis als pathologisch einzustufen sei, trägt er selbst in dieser Form nicht vor.
Spätestens bei der gebotenen Kontrolluntersuchung Anfang 2000 hätte sich - sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit - ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt. Die dem Beklagten anzulastende unzureichende Befunderhebung führt nach den Grundsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu einer Umkehr der Beweislast: Dies rechtfertigt sich daraus, dass durch den vom Beklagten nicht erhobenen Befund die Aufklärung eines zumindest wahrscheinlichen Ursachenzusammenhangs zwischen Behandlungsfehler und behauptetem Gesundheitsschaden erschwert worden ist.
Dem Beklagten hätte es sodann oblegen nachzuweisen, dass die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin nicht auf dem Befunderhebungsfehler beruhen, dass also auch eine rechtzeitige Befunderhebung bzw. Diagnose Anfang 2000 zu den gleichen Folgen geführt hätte. Dies ist ihm nicht gelungen. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 steht fest, dass auch dann, wenn Anfang 2000 ein Karzinom bzw. eine Präkanzerose festgestellt worden wäre, Gebärmutter und Adnexe operativ entfernt worden wären. Eine Operation wäre der Klägerin mithin auch dann nicht erspart worden, wenn lediglich die Vorstufe einer Krebserkrankung - eine Präkanzerose - diagnostiziert worden wäre. Allerdings ist mangels Gegenbeweises des Beklagten davon auszugehen, dass bei einer früheren Diagnose nicht eine Operation dieses Ausmaßes, d.h. eine Radikaloperation - Entfernung auch der Bindegewebsaufhängung incl. Nerven sowie Lymphknoten - erforderlich gewesen wäre. Der Beklagte muss folglich für die Schäden und Beeinträchtigungen der Klägerin einstehen, die ihr durch die verspätete und umfassendere Operation und die gravierenderen Folgen entstanden sind und noch entstehen.
Hierfür ist der Klägerin ein Schmerzensgeld von insgesamt 25.000,-- € zuzuerkennen. Der Senat folgt der Auffassung der Klägerin, wonach das Landgericht das Ausmaß der Folgen des Befunderhebungsfehlers nur unzureichend berücksichtigt und gewertet habe. Neben der umfassenderen Operation mit längerem Krankenhausaufenthalt sind als unmittelbare Folgen die auf Dauer zu behandelnden Lymphödeme der Klägerin, Müdigkeit und leichte Erschöpfbarkeit anzuführen, vor allen Dingen aber die Ängste und Gefahren, die mit einer Krebserkrankung als solcher verbunden sind. Bei früherer Diagnose und Therapie hätte möglicherweise erst eine Präkanzerose vorgelegen, jedenfalls aber eine geringere Ausbreitung des Tumors und eine geringere Gefahr eines Rezidivs bzw. von Metastasen.
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes war insoweit zu berücksichtigen, dass sich letztere Gefahr realisiert hat. Sie hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, dass im Jahr 2005 von Metastasen befallene Lymphknoten im abdominellen und thorakalen Bereich operativ hätten entfernt werden müssen. Soweit der Beklagte diese weitere Operation bestritten hat, wertet der Senat dieses - pauschale - Bestreiten als unbeachtlich. Die Klägerin hat einen Arztbrief der ...-Universität O1 vorgelegt, wonach sie sich in der Zeit vom 14.8. bis 1.9.2005 stationär dort aufgehalten hat und zwei paraortale Lymphknoten-Metastasen operativ entfernt worden sind (Bl. 197 d.A.). Damit hat sich ein typisches Risiko verwirklicht, das bei rechtzeitigem Erkennen der Krebserkrankung und früherer Operation jedenfalls in dieser Form nicht bestanden hätte. Denn bekanntermaßen haben frühere Stadien eines Tumors schon wegen ihrer geringeren Ausbreitung höhere Heilungsaussichten. Dieses Wiederauftreten des Tumors nach knapp fünf Jahren seit seiner Entfernung erhöht verständlicherweise die Ängste und Befürchtungen der Klägerin, die auf eine endgültige Überwindung der Erkrankung gehofft hatte.
Was die materiellen Schäden anbelangt, so hat das Landgericht dem Feststellungsbegehren zutreffend entsprochen. Soweit es bezifferte materielle Schäden aberkannt hat, hat es jedenfalls den Verdienstausfall in Höhe von 936,-- € im Jahr 2002 (Bl.43 d.A.) zu Unrecht als nicht kausal auf dem Versäumnis des Beklagten beruhend gewertet. Zwar bleibt es für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Primärschaden und den draus entstehenden Sekundärschäden grundsätzlich bei der Beweisbelastung der Klägerin, allerdings mit den geringeren Anforderungen des § 287 ZPO. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Ermüdung und Erschöpfbarkeit), welche zur Rückstufung der Klägerin in ihrer beruflichen Position als Anästhesieschwester geführt haben, sind indessen dem Primärschaden zuzurechnen, weswegen es bei der Gegen-Beweisbelastung des Beklagten bleibt, der er nicht genügt hat. Dass die berufliche Rückstufung nachteilige finanzielle Folgen hatte, hat die Klägerin hineichend dargetan.
Demgegenüber sind die weiteren bezifferten materiellen Schadenspositionen - 11 Tage Krankenhaus-Zuzahlung sowie Zuzahlung bei Kuren und auch das entgangene Gehalt im Anschluss an die Operation 2001 - nicht zuzusprechen. Auch ohne den Behandlungsfehler des Beklagten hätte sich die Klägerin einer Operation mit Krankenhausaufenthalt und mit großer Wahrscheinlichkeit auch einer Kur unterziehen müssen mit der Folge von Zuzahlungen und gewissen Gehaltseinbußen. Insoweit enthält das Berufungsvorbringen der Klägerin keinen hineichenden Vortrag, dass diese Kosten durch die verzögerte Diagnose entstanden sind.
Nach allem war das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Ende der Entscheidung
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